
BUCHBESPRECHUNG
Thomas Kraft – The Last DJs
Wie die Musik ins Radio kam
Ja, sie hat mir zweifelsohne viel Spaß gemacht: die Zeitreise zurück in
meine Radio-Kindheit und -Jugend. Ich habe mich an viel fast Vergessenes
erinnert und auch das eine oder andere neue Detail erfahren. Für eine
Reminiszenz an das Radio von früher ist das Buch „The Last DJs – Wie die
Musik ins Radio kam“ von Thomas Kraft also schon mal ein guter
Leitfaden.
Der Zeitraum, der darin abgedeckt wird, ist lang. Mich haben natürlich
vor allem die Sechziger, Siebziger und Achtziger interessiert. Rik de
Lisle vom AFN, Jürgen Herrmann, Jim Sampson, Fritz Egner und Fred Kogel
vom Bayerischen Rundfunk (Bayern 3), Peter Stockinger vom Südwestfunk
Baden-Baden (SWF 3), Rudi Klausnitzer von Ö3 in Wien und der unglaublich
vom AFN (American Forces Network) inspirierte Wolfgang Kreh, den ich
1985 kennenlernte und der eine Zeit lang sogar zum selben Radio-Team
gehörte wie ich – das waren einige der Last DJs im Süden Deutschlands.
Der Autor Thomas Kraft hat es sich dabei recht einfach gemacht. Er lässt
die Leute reden, teils im Frage/Antwort-Stil, teils in einer Art
Mini-Autobiographie. Kraft selbst greift kaum ein und kommentiert wenig.
Muss er auch nicht, denn die Erzählungen sind eindrucksvoll.
Eindrucksvoll und oft auch
spannend. Wenn Rudi Klausnitzer an die Anfänge des ambitionierten Ö3
erinnert, Jürgen Herrmann über das
Mauerblümchen-Dasein eines Pop-DJs beim damals doch recht öden
Bayern 3 fabuliert oder Wolfgang Kreh erzählt, wie er schon frühzeitig
in Kontakt mit der AFN-Szene kam, dann ist das aussagekräftig genug.
Persönlich interessant finde ich in dem Beitrag von Peter Stockinger,
dem langjährigen SWF3-Chef, die Erinnerung an den „Aufstand der
Redakteure gegen die Geschäftsleitung“ in den Siebzigern. Nur so habe
man damals vermeiden können, dass auch der SWF eine langweilige
Autofahrer Welle im Stil von Bayern 3 und HR3 in Betrieb nimmt.
Stattdessen habe man sich mit einem völlig anderen Konzept durchgesetzt:
intelligente Unterhaltung für ein junges, gebildetes Publikum statt
oberflächlichem Gequatsche. Das war bis zur Fusion von SWF3 mit der
ähnlich ausgerichteten dritten Welle des Süddeutschen Rundfunk Stuttgart
(SDR3) im Jahre 1998 denn auch stets die Erfolgsformel von Stockingers
Programm.
Apropos SDR3: Dieser Sender wird leider in dem Buch kaum erwähnt. Auch
hier hätte es so manchen Last DJ gegeben, der für das Buch sicher eine
Bereicherung gewesen wäre: Matthias Holtmann, Peter Kreglinger, Rüdiger
Becker oder auch Thomas Schmidt (leider schon verstorben) hätten sich
mit ihren Erinnerungen nahtlos in die Thematik eingebracht. Das ist aber
auch der einzige Kritikpunkt an dem Buch.
Interessant wird es, wenn man die Ausführungen der jüngeren Radio-DJs
liest. Denn deren Inspiration und Ansichten unterscheiden sich von denen
der Veteranen doch ganz erheblich. Da wird schon mal eine Lanze fürs
Berater-Formatradio mit Mini-Rotation gebrochen oder krampfhaft
versucht, eine Affinität zur Rock-Musik zu begründen. Nicht mein Ding –
das gebe ich offen zu. Vielmehr unterschreibe ich da schon das Statement
des AFN-Recken Rick de Lisle: „Die Welt ist voll von Radio-Beratern, die
nie hinter einem Mikrofon gesessen haben. Aber schöne
Powerpoint-Präsentationen sind etwas anderes als harte Studioarbeit.“
Die einzelnen Kapitel des Buchs wird sicher jeder anders beurteilen.
Jüngere Radio-Hörer sehen in den Pionieren vielleicht die verschrobenen
Nostalgiker, ältere Hörer titulieren die neue DJ-Generation gern als
Formatradio-Ansager. Für mich machte bei einem Moderator stets die
Personality den Unterschied. Dass diese sich heute im reglementierten
Radio kaum mehr entwickeln kann, ist jammerschade. Und so sind alle, die
in dem Buch von Thomas Kraft zu Wort kommen, wahrscheinlich wirklich die
allerletzten DJs, die diesen Namen überhaupt noch verdienen.
Mike „Uhini“ Louis
Thomas Kraft:
The Last DJs – Wie die Musik ins Radio kam. Erschienen bei starfruit
publications in Fürth.
ISBN 978-3-922895-52-7
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